Über Thomas Dodd und die Bassmacher in London von ca.1800-1860

The Dodd- Lott connection

 

 

 

 

 


In England hat es im 19. Jhd. keinen industriellen Geigenbau wie in Deutschland und Frankreich gegeben. Familienbetriebe mit einigen Angestellten versuchten sich im Konkurrenzkampf gegen billige Importe zu  behaupten. Migranten aus Deutschland wie die später berühmt gewordenen John Lott und Bernard Fendt konnten in solchen Betrieben wirtschaftlich überleben.
Eine der wichtigsten Werkstätten in der ersten Hälfte des 19. Jhd. war Thomas Dodds fine Workshop. Dodd stammte aus einer der bekanntesten Bogenmacher- Familien Englands und entfaltete Aktivitäten im Geigenbau, ja sogar später im Bau von Pedalharfen und Pianos. Geboren 1764, lernte er zuerst der Familientradition folgend das Bogenmacher- Handwerk, arbeitete danach zeitweilig als Brauer, bis er sich 1794 als Geigenhändler in der New Street in Londons Covent Garden niederließ. Dodd hatte eine sehr glückliche Hand, als es ihm 1798 gelang, den 23jährigen deutschstämmigen Bernard Fendt als Mitarbeiter einzustellen.  Fendt stammte aus Füssen im Allgäu, wo er 1776 geboren wurde. Bei seinem Onkel Francois in Paris lernte er den Geigenbau. Fendt wiederum veranlasste Dodd, seinen Freund John Frederic Lott , einen Stuhlmacher, einzustellen. Der ebenfalls  deutschstämmige Lott wurde 1776 in London geboren. Unter der Anleitung von Fendt entwickelte er bald besonderes Geschick bei der Herstellung von Kontrabässen. 1892 wurde Dodds Geschäft nach 92 St. Martins Lane verlegt.

Eine Trade Card aus dieser Zeit wirbt wie folgt:  „perfect copies of Stradivarius, Amati, Stainer etc. and only possessor of the recipe for preparing the original Cremonaoil varnish“. Im selben Jahr wechselte Fendt zu Dodds Konkurrenten John Betts, während Lott bis zu Dodds Tod 1834 im Geschäft verblieb. Beide, Lott und Fendt, gehörten bald zu den berühmtesten Geigenbauern ihrer Zeit und wurden Begründer bedeutender Familiendynastien.

 

Thomas Dodd war mehr ein cleverer Geschäftsmann und Händler als Geigenbauer. Er bediente die damals stark wachsende Nachfrage nach altitalienischen Instrumenten. Sein Erfolgsrezept war der kompromisslose Einsatz bester Materialien und fähiger Mitarbeiter. Keine Mittel wurden gespart, um erstklassige Qualität zu erreichen. So gingen bedeutende italienische Instrumente durch den Laden, wurden kopiert und verkauft. Dodd und seine Mitarbeiter erwarben so eine echte Kennerschaft alter Instrumente. Leider führte Dodds Streben nach schnellem Gewinn auch zu üblen Praktiken. Um Steuern zu sparen, wurden Instrumente zerlegt, in Teilen importiert und dann aus eigenen Beständen ergänzt. Dodds in der Tat phänomenales  Lackrezept begünstigte dieses Vorgehen und gab den Instrumenten ein homogenes Äußeres. Heute kann man solche Lackierungen allerdings sicher  erkennen. Trotz solcher Missstände war Thomas Dodd eine bedeutende und innovative Kraft im Geigenbau

seiner Zeit. Viele schöne Celli und Bässe aus seiner Werkstatt, hauptsächlich von Fendt und Lott gemacht,

legen noch heute Zeugnis davon ab.


 Besonders erfolgreich war Dodd mit seinem innovativen Basskonzept einer vergrößerten Cremonenser Geige. Das hier vorgestellte Instrument ca. 1825 von Dodd erdacht, und von Lott gemacht, zeigt sehr deutlich das Prinzip: Neben dem Umriss einer Geige im Cremonenser Stil wurden auch alle Details wie Schnecke, F- Löcher, Einlagen und Wölbung so vergrößert, dass aus der Distanz betrachtet der Eindruck einer großen Geige entsteht. Besonders auffallend sind die 2,5 cm breiten Ecken, in denen die verbreiterte Einlage zwei Winkel bildet.

Lott hat derartig verbreiterte Ecken auch bei eigenen Modellen ausgeführt, ebenso Josef Panormo und William Forster. Die Enden der Zargenbügel sind den verbreiterten Ecken folgend durch einen 2 cm breiten Ahornstreifen getrennt. Der optischen Verbreiterung von Decken und Bodenüberstand dienten Außenreifchen mit einer Stufe. Diese Stufenreifchen aus Hartholz finden sich auch innen. Sie gelten als typisch für die von Lott gemachten Instrumente.

 

Material und Verarbeitung sind bei Dodd und Lott Bässen durchweg erstklassig. Typisch ist die Verwendung exotisch geflammter Hölzer für Zargen und Schnecken. Die Zangentiefe misst 21 cm, weniger als man es von den vom Brescianer Stil her geprägten klassischen englischen Bässen kennt. Der flache Boden ist aus Vogelaugenahorn mit relativ hoch angesetztem Knick. Die Mittelfuge wird durch neun  sogenannte Schwalbenschwanz- Einlagen zusammengehalten, was wahrscheinlich erst später gemacht wurde. Alle Ecken sind angesetzt, unten finden sich seitlich bds. Flügel, sodass der Boden aus insgesamt 10 Teilen besteht. Vielleicht wollte man so das exklusive Material effektiv nutzen. Die zweigeteilte Decke ist aus alpiner Fichte. Sie konnte dendrochronologisch von Dr. Micha Beuting in Hamburg auf zwischen 1569-1817 bestimmt werden.

Der Bass kann also um 1825 entstanden sein. Die Wölbung ist recht hoch, sie entwickelt sich kontinuierlich bis zur Mitte aus einem schmalen Aderkanal. Die imposante Schnecke hat beidseitig angesetzte Augen. Typisch englisch ist der kurze Wirbelkasten mit am Boden abgerundeten Ecken. Die Mechaniken sind alt im Stil von Baker aber nicht original. Am Wirbelkasten erkennt

man, dass der Bass als Dreisaiter gebaut wurde. Dodds ganzer Stolz war sein transparenter bernsteinfarbener bis goldgelber Öllack.Das Rezept war ein wohlgehütetes Geheimnis und Dodd bestand darauf, alle Instrumente selber zu lackieren. Klanglich gehört das hier vorgestellte Instrument zum Besten, was die klassische englische Schule hervorgebracht hat.

 

Dodds Konzept wurde im Laufe der Jahre mehrfach variiert. Es sind Versionen bekannt mit Reduktion der Breite von Schnecke, F- Löchern und Einlage, flacherer Wölbung und auch gewölbtem Boden. Nicht alles ist von Lott, Dodd beschäftigte auch zunehmend sogenannte Outworker. Heute würde man sagen freie Mitarbeiter oder Scheinselbständige. Dodds Konzept blieb insofern einzigartig, weil er  kein  einzelnes Instrument  kopierte, sondern eine unverwechselbar englische Variante des Cremonenser Stiles schuf.


Nach Dodds Tod 1834 eröffnete J.F.Lott 1835 sein eigenes Geschäft in Kings Street Soho. Lott hatte zwei Söhne, die ebenfalls Geigenbauer wurden. Besonders John Lott Jr. , genannt Jack, wurde berühmt für seine schönen Guarneri del Gesu Kopien. Er führte ein abenteuerliches Leben unter anderem als Elefantentreiber bei einem Zirkus. Der Elefant wurde in Italien mit einer Kanone hingerichtet,  weil er einen Menschen getötet hatte. Lott kehrte nach London zurück und baute wieder eine Reihe hervorragender Bässe im Stile seines Vaters. 

 

Grandfather Lott Sr., wie er von den Bassisten mit Hochachtung genannt wurde, starb 1853 in London.Kaum jemand hat soviel Sorgfalt und Talent in den Bau von Bässen investiert wie Lott. Seine Instrumente gehören heute zu den Gesuchtesten bei den Bassisten.

 
Bibliographie:  
The British Violin, The Catalogue of the 1998 Exhibition, BVMA 2000
Thomas Martin, The Strad: King of the double bass, Februar 1995 p. 168- 169
Thomas Martin, The Strad: From  brewer to bass innovator Juli 1997 p. 720-72

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