Das Instrument habe ich 2005 von einer Frau aus Berlin erworben. Sie gab an, dass der Bass ihrem Vater gehört, der in Kanada lebt und ihn von einem italienischen Musiklehrer eworben hat, der in den fünfziger Jahren nach Kanada eingewandert sei. Das Instrument wirkte sehr vernachlässigt, dreckig, mit Decken und Zargenrissen sowie defekten, abgestoßenen Ecken. Es klang
aber sehr gut, sodass der Kaufentschluss für das no name angebotene Instrument nicht allzu schwer fiel. Die Reparaturarbeiten und einen Anschäfter führte der Geigenbauer Stefan Sielaff in Hamburg aus. Es fand sich ein Reparaturzettel des Mailänders
Luigi Galimberti von 1932. Eine dendrochronologische Datierung der Decke ergab eine Fichtenchronologie von 1495-1763. Das passte gut zu Nicola Bergonzi. Der Untersucher hatte allerdings alpine Fichte einfach vorausgesetzt. Ich wollte aber mehr wissen, und veranlasste eine Holzuntersuchung der Decke. Dabei fand sich dann Thuja plicata, Rotcerder, eine für Cremona doch sehr überraschende Variante. Für Rotceder gibt es laut Arboretum Cleve in Europa erst Bestände seit ca. 1860.
Von Nicola Bergonzi sind nur zwei Bässe bekannt. Einer von 1777, der in Cremona im Museum steht, sowie der Bass von 1780, der sehr gut dokumentiert ist und von Thomas Martin, dem Virtuosen und Bassbauer, bevorzugt für seine Soloauftritte genutzt wurde. Der Bass wurde ausführlich beschrieben von Duane Rosengaard in seinem Buch "Contrabassi cremonesi", Edition Turris, Cremona 1992. Von Thomas Martin gibt es auch ein Poster bei Turris.
Ein interessantes Detail des Basses ist sein Umbau mit Liftung von Oberzargen und Klotz, um die celloartige Struktur zugunsten des Lagenspiels und der Saitenlänge zu verändern. Auch das von mir erworbene Instrument zeigt verblüffend baugleich diesen Umbau. Wie der Bass etwa vor dem Umbau ausgesehen hat, kann man in Cremona sehen, was ich auch gemacht habe, oder besser in dem Standardwerk über den Cremoneser Geigenbau nach Stradivari von Dmitri Gindin: " The late Cremonese Violin makers" Edition Novecento in Cremona 2002.
Um Hilfe zu bekommen bei der Datierung, habe ich an drei Autoritäten Fotos geschickt: Charles Beare, Duane Rosengaard und Thomas Martin. Beare und Rosengaard zeigten sich interssiert, Martin sprach sich für eine Kopie aus. Er erzählte mir, dass die besagte Frau sich auch mit Fotos an ihn gewandt habe. Sie hat danach offenbar darauf verzichtet, mir den Bass als Bergonzi anzubieten. Auch wenn Thomas Martin nur Fotos gesehen hat, muss man nach der Datenlage seiner Einschätzung zustimmen. Der Bass dürfte eine Kopie sein, allerdings meiner Ansicht nach eine schon ziemlich alte.
Es kann sein, dass jemand den Bass auf alt kopierte und imitierte, es kann aber auch sein , dass er regulär alterte. Oder er alterte noch längere Zeit regulär, nachdem man ihn kopierte und imitierte. Artefakte und wie in diesem Fall deftige Gebrauchsspuren (siehe Foto vor Restauration) können sich dann so überlagern, dass man Mühe hat, sie zu unterscheiden.
Wie dem auch sei, ohne jede Spekulation: Wenn man Interesse hat an diesem Instrument, sollte man an ein stilistisch apartes Bassetto denken mit Solo- Qualitäten, nicht an einen großen Namen im Geigenbau.